Zunächst gab es sehr lange Zeit sehr lange Gesichter sowohl bei den Protagonisten als auch den Fans der BG Hessing Leitershofen/Stadtbergen am Samstagabend zu verzeichnen. Umso größer waren dann Freude und Euphorie als am 8. Spieltag in der BARMER 2. Basketball Bundesliga der 105:94 (43:53; 89:89) Sieg nach Verlängerung gegen den Tabellennachbarn Ahorn Camp BIS Baskets Speyer feststand. Und die 722 Zuschauer in der Stadtberger Sporthalle angesichts dieses Basketballkrimis dann ihr Kommen sicherlich alles andere als bereuen mussten.
BG-Headcoach Emanuel Richter zeigte sich vor dem Spiel mehr als zuversichtlich, er sprach von einer hervorragenden Trainingswoche und hoher mentaler Stabilität seines Teams nach dem guten Auftritt zuletzt in Ulm. Dass Training und Spiel offensichtlich zwei verschiedene Angelegenheiten sind, wurde in der ersten Halbzeit deutlich. Die Kangaroos agierten pomadig und ließen es an Einsatz vermissen. In der Verteidigung stand man meist mit gehörigem Sicherheitsabstand neben den Gegenspielern und eine sehr gute Speyrer Mannschaft nutze dies sofort. Das Team um Trainer Carl Mbassa scorte fast nach Belieben. Im Angriff der BG lief der Ball auch nicht gerade flüssig. Richter stand die Zornesröte förmlich ins Gesicht geschrieben, mit einem technischen Foul versuchte er die Seinen zu wecken. Dies gelang zumindest so weit, dass aus einem zwischenzeitlichen 15-Punkte Rückstand (38:53, 18. Spielminute) bis zur Halbzeit nur noch 11 Punkte Differenz von der Anzeigetafel leuchteten. Die Leistung der Stadtberger war so schlecht, dass zum ersten Mal seit Langem der Funke auch nicht mehr auf das Publikum überging, die Fans waren berechtigterweise ebenfalls in einem leichten Schockzustand.
Die Halbzeitansprache bei den Kangaroos schien intensiv, aber kurz. Bereits nach 5 Minuten kehrte das Team auf das Spielfeld zum Warm-Up zurück. Schon hier war festzustellen, dass die Körpersprache nun eine andere war. Und dies zeigte sich nun auch sofort im Spiel. Kapitän Chris Würmseher legte nun den überragenden US-Amerikaner der Pfälzer, Daryl Woodmore, förmlich an die Kette, nach 5 Minuten übernahm Noel Duarte diesen Job mit derselben Intensität, später wechselte man wieder zurück, mitunter wurde auch noch Nicolas Lagerman in diese „Rotation“ eingebunden. Im Angriff fand man nun den guten Mix, die Centerspieler ins Geschehen zu bringen, diese passten aber auch oftmals geschickt wieder hinaus an die Dreierlinie. Hatten die Leitershofer in der ersten Halbzeit noch einen einzigen Dreier getroffen, waren es am Ende des Spiels deren 10 bei über 50% Trefferquote. Entscheidend war aber, dass jetzt bedingungslos gefightet wurde und auch von der Bank wertvolle Entlastung kam. Die an diesem Abend überragenden Jermane Carter und Bernat Vanaclocha erhielten über eine längere Zeit hinweg wertvolle Entlastung von Bernhard Benke und Ole Theiss und sparten so wertvolle Körner für die Crunch-Time. Die Veränderungen im Auftritt des Teams machten sich dann auch im Ergebnis bemerkbar: Noel Duarte verkürzte in der 25. Minute per Dreier auf 58:59, ein Zwischenrund der Speyrer egalisierte man erneut bis zum 69:69, bedingt durch einen leichten Fehler wieder einmal beim Einwurf ging es mit 69:73 in das letzte Viertel. Ole Theiss glich per Dunking zum 74:74 aus, danach besorgte Nico Lagerman die erstmalige Führung zum 77:76. Fast wäre das Spiel in der regulären Spielzeit zu Ende gegangen, erneut Woodmore glich aber wenige Sekunden vor dem Ende zum 89:89 aus. Die Halle stand inzwischen wieder Kopf, der Lärmpegel war kaum noch zu überbieten.
In der Overtime machte sich dann die breitere Rotation der Kangaroos bemerkbar. Bei den Baskets war der spanische Spielmacher Carlos Hidalgo nach fünf Fouls nicht mehr auf dem Feld, einige andere Akteure waren ebenfalls foulbelastet und teilweise auch am Ende ihrer Kräfte. Der erneut überragende Jannik Westermeir nahm das Heft nun in die Hand, überzeugte wechselweise mit guten Moves zum Korb, zwei Dreipunktwürfen, großartigen Anspielen und traf nun auch wichtige Freiwürfe. Speyer gelang per Freiwurf der erste Korb, dann folgte ein 13:0 Run der Einheimischen. Unglaublich, mit welcher Intensität die gesamte Mannschaft in dieser Phase noch fähig war, auf höchstem Level zu verteidigen. Die Fans konnten danach mehr als zufrieden nach Hause gehen. Nach spärlichem Beginn hatte am Ende alles geklappt, sogar die Liveschalte in der Pressekonferenz nach New York zum dort weilenden General Manager Wayne Chico Pittman.
Am kommenden Samstag geht es für die Kangaroos, die nun auf Platz fünf in der weiterhin sehr ausgeglichenen Tabelle stehen, beim Tabellendritten in Ludwigsburg weiter, ehe in zwei Wochen dann Ehingen zu Gast in Stadtbergen ist.
BG Hessing Leitershofen/Stadtbergen: Würmseher (5), Lagerman (17), Carter (22), Duarte (13), Benke, März, Westermeir (19), Theiß (4), Vanaclocha (19), Hanzalek (6).
Beste Werfer Speyer: Woodmore (24), Hidalgo (20), Aichele (13), Pisic (10), Franke (10).
Stimmen zum Spiel
BG-Coach Emanuel Richter: „Die Leistung in der ersten Halbzeit war inakzeptabel, dementsprechend die Ansprache in der Halbzeit intensiv, wenn auch kurz. Kompliment an das Team, wie es dann zurückgekehrt ist, das war große Klasse in Sachen Kampf und Einsatz. Endlich haben wir dann das gespielt, was wir uns die ganze Woche über vorgenommen haben. Danke an unsere Fans, am Ende war es so laut, dass man gar keine Anweisung mehr auf das Spielfeld geben konnte. Das war aber dann auch nicht mehr nötig, weil es die Jungs super gemacht haben“.
BG-Guard Nico Lagerman: „Das erste Viertel war ganz schlecht, im zweiten wurde es ein wenig besser. Der Trainer wurde dann in der Halbzeit sehr deutlich, danach ist es dann richtig abgegangen. In der ersten Halbzeit haben mich die Speyrer sehr gut am Wurf gehindert, in der zweiten Halbzeit haben sich dann auch für mich Räume geöffnet, weil sie müder wurden und auch verstärkt gegen unsere starken Brettspieler aushelfen musste“.
Kangaroos Geschäftsführer Andreas Moser: „Das war eine wirkliche Nervenschlacht gegen einen, wie ich finde, sehr guten Gegner. Nach der knappen Niederlage in Ulm war es wichtig, dass wir heute solch einen Krimi für uns entschieden haben, so können wir deutlich gestärkter am Samstag nach Ludwigsburg fahren. Danke an die Fans für ihren zahlreichen Besuch und die gerade am Ende herausragende Unterstützung, diese Verlängerung wird allen im Gedächtnis bleiben.“